![]() Library Music Capitol High "Q" -
Zum ersten Mal gesehen habe
ich George A. Romeros Night Of The Living Dead im zarten
Grundschulalter, heimlich in einem Halloween-Special auf Arte. Eines dieser berühmten,
dem Fernsehen geschuldeten frühen Kindheitstraumata? Vielleicht! Auf jeden Fall
nahm der Film, dessen düstere schwarz-weiße Bilder mich so in den Bann gezogen
hatten, in den darauffolgenden Jahren in meinem Kopf das Gebilde eines der
schlimmsten und furchterregendsten Horrorfilme aller Zeiten an. Vor allem die
Szene, in der die zum Zombie gewordenen Karen ihre Mutter mit einer Gartenkelle
ersticht, brannte sich in mein Gedächtnis
ein. Glücklicherweise wurde das Trauma durch die im Vorfeld laufende
Dokumentation über Romeros Zombie-Filme, in der von den Machern erklärt wurde,
dass es sich bei den Blutflecken an der Wand lediglich um Schokoladensoße
handelte, etwas abgemildert. Doch auch das schürte schon
früh meine Faszination für diesen Film: Eine kleine Gruppe von Filmmachern ging
1968 mit wenig Geld ins Hinterland von Pittsburgh und drehte diesen Film mit
einer so unglaublich großen Wirkung. Ich schätze, das ist ein Aspekt, warum Night
Of The Living Dead bis heute eine solch starke Resonanz erfährt. Nicht nur
dass es sich um einen gut gemachten Film handelt, auch seine Machart zeigt
vielen jungen Filmemachern und Filmbegeisterten, dass man mit begrenzten
Mitteln etwas großes Schaffen kann. Zum zweiten Mal sah ich Night
Of The Living Dead im Alter von 15 oder 16 Jahren, und das war auch das
erste Mal, dass ich diesen Film richtig gesehen habe (ohne die Decke über den
Kopf zu ziehen oder den Fernseher ausgeschaltet zu haben, weil Gefahr drohte,
mein nicht amtlich genehmigtes Rendezvous mit dem Fernseher könnte auffliegen).
Zu diesem Zeitpunkt wurde Night Of The Living Dead einer meiner
Lieblingsfilme und hat für mich bis heute nichts von seinem Reiz verloren. An
dieser Stelle soll jedoch meine Laudatio über Romeros ersten Spielfilm enden,
denn über die Nacht der lebenden Toten wurde bereits viel geschrieben
(und manchmal auch ein wenig zu viel!), dem eigentlich nichts mehr hinzuzufügen
ist. Der Film ist ohnehin Public
Domain und somit für jeden kostenlos verfügbar, er ist schnell und legal zu
bekommen, sodass sich jeder problemlos selbst ein Bild davon machen kann. Da Romero sich fürs Drehbuch
von Night Of The Living Dead ausgiebig bei Richard Mathesons Roman I
Am Legend bedient hat, ist zu empfehlen, sich auch mit dessen
Erstverfilmung The Last Man On Earth auseinander zu setzen. Der
Vincent-Price-Film von 1964 ist ebenfalls in schwarz weiß gedreht und hat
einige Szenen und Motive, die vier Jahre später bei Night Of The Living Dead
wieder aufgegriffen wurden. Ironischerweise ist The Last Man On Earth,
der leider mit der Zeit in Vergessenheit geraten ist, heute ebenfalls public
domain. Anders als The Last Man On Earth hatte man bei Night Of The
Living Dead kein Geld für einen Original Score übrig. Das verwundert zunächst, denn die Illusion einer auf
den Film zugeschnittenen Musik wird bis zum Ende aufrecht gehalten. Karl
Hardman und Marilyn Eastman sammelten eine größere Auswahl von Cues aus dem
Katalog der Capitol-High-„Q“-Serie zusammen, aus der sich Romero beim Schneiden
des Films bediente. Das daraus resultierende Gesamtbild ist überraschend
konsistent. Zunächst einmal hat man sich
bei Night Of The Living Dead darum bemüht, stilistisch ähnliche Stücke
heraus zu suchen. Man könnte den Score im Grunde in drei Gruppen spalten:
Ruhige Suspense-Mystery-Musik, melancholische oder lyrische Musik für die
emotionalen Momente und von schrillen Blechbläsern dominierte, hektische
Actionmusik. Da jeder Stil, jede dramatische Ausrichtung mehrmals vertreten
ist, scheint es, als stünde hinter dieser Selektion ein stilistisches Konzept.
Der Eindruck eines geschlossenen Konzeptes wird noch dadurch verstärkt, dass
kein Cue im Laufe des Films mehr als einmal eingesetzt wird; meint, dass jeder
neue Musikeinsatz auch gleichzeitig ein neuer Cue ist. Man könnte hier auch von
einer Konsistenz durch konsequente Inkonsistenz sprechen. Derartiges findet man
bei Originalmusik (die Arbeiten der japanischen Komponistin Yoko Kanno seien
hier kurz erwähnt) sehr selten, aber dennoch zeigt der Library Score zu Night
Of The Living Dead, dass eine stilistische und konzeptionelle
Geschlossenheit auch ohne Themen, Motive oder Wiederholungen möglich ist. Diese Rezeption sollte allerdings
eher als kleine intellektuelle Spielerei gesehen werden. Ob Hardman, Eastman
und Romero wirklich ein derartiges Konzept im Hinterkopf hatten, sei einmal
dahin gestellt. Auf jeden Fall wollten sie mit der Musik ihrem Film einen düsteren,
altmodischen Charakter geben, den sie von Horrorfilmen wie Frankenstein
oder The Wolfman kannten. Aus
dieser Zeit dürfte auch der eine oder andere Cue tatsächlich stammen. Dabei
sind diese gar nicht so altmodisch, wie man zunächst vermuten würde. Einige der
Tracks hören sich sogar überraschend modern an. Etwas altmodisch dürfte da eher
der „over-the-top“-Charakter sein. Schrille Bläserakkorde kombiniert mit
mehrstimmigen, langen Trillerflächen in den Holzbläsern, ausgedehnte
chromatische Schleifen, chromatische Verrückung von übermäßigen Dreiklängen –
Stilmittel, die man auch noch 1968 benutzte, aber bis dahin weitaus sensibler
und punktueller einzusetzen wusste. Hier wird der breite Pinsel herausgeholt.
Aber auch dieser, mitunter sehr plakative Charakter kontrapunktiert und übersteigert
die Geschehnisse im Film derartig, dass man auch hier fast wieder von einer
beabsichtigten Diskrepanz sprechen kann. Ob nun beabsichtigt oder nicht, das
Endresultat überzeugt, ohne Fragen offen zu lassen. Auf der anderen Seite brilliert
gerade der tranceartige „Main Title” durch seine indifferenzierten harmonischen
Färbung und zarten Orchestrationen, deren Wirkung durch ein Tape-Delay noch
verstärkt wird. Kompositorisch gibt es bei
der Musik wenig zu beanstanden. Nahezu jeder Track lässt auf gutes bis sehr
gutes Handwerk schließen, und selbst wenn es sich hierbei nicht um Meisterwerke
der Filmmusikgeschichte handeln dürfte, so kann der Musik nicht ein gewisser,
mitunter etwas zotiger Charme abgesprochen werden. Lange Zeit sah es so aus, als
wenn die einzige Möglichkeit, an die Musik von Night Of The Living Dead
zu kommen, die seit geraumer Zeit vergriffene, Varèse-LP (Varèse Sarabande STV
81151) von 1982 darstellte. Diese bot einen eigentlich recht guten Querschnitt
der Musik, unterbrach diese aber immer wieder durch Dialogfetzen und konnte
auch sonst technisch nur bedingt überzeugen. 2010 ging für mich schließlich ein
kleiner Traum in Erfüllung: Seit dem Tag, an dem ich Night Of The Living
Dead das „zweite Mal” gesehen hatte, wünschte ich mir eine anständige Veröffentlichung
dieser Musik. Meine Erwartungen wurden noch übertroffen. Nicht nur, dass es
sich um die (fast) komplette Musik handelt (es fehlt ein kurzes Stück aus der
Szene, in der sich der erste Untote Barbara auf dem Friedhof nähert), sondern
auch, dass die Tonqualität gegenüber der Varèse-LP eine deutliche Steigerung
erfährt. Trotzdem sollte man hierbei nicht zu viel erwarten. Zwar hat man alles
daran gesetzt, gut erhaltene Bänder zu finden, aber an einer schlecht
gelagerten Aufnahme aus den 40er–50er Jahren hinterlässt die Zeit nun mal ihre
Spuren. Grundsätzlich sind die meisten Aufnahmen aber klar und rauschfrei. Bei
der Gestaltung der Hülle und des Booklets wurde ebenfalls nicht an
Detailverliebtheit gespart. Anstelle der üblichen Filmfotos zieren schöne,
digitale Illustrationen (die wiederum über Filmfotos gearbeitet wurden) von
Mark C. Owen die mit Hochglanzfolie überzogene Papphülle. Das Booklet bietet neben
einigen gut ins Layout integrierten Filmstills auch einen sehr ausführlichen
und informativen Text, der noch einmal näher auf die Capital-High-„Q”-Serie und
die einzelnen Tracks eingeht. Ebenfalls sehr erfreulich: Die CD ist nicht
limitiert. Grundsätzlich kann jeder, dem die Musik im Film gefiel und der,
ebenso wie ich, lange auf eine vernünftige Veröffentlichung gewartet hat, blind
zugreifen. Auch Freunde von Library Musik werden definitiv ihre Freude haben
... Die Wertung ist bei einer
derartigen Zusammenstellung zwar etwas sinnlos, aber würde es sich um einen
Original Score handeln, so bekäme dieser sicherlich irgendetwas um die 4,5
Punkte und das veranschlage ich auch für diese CD. Details zum Soundtrack I. Die Musik
I. Die Alben -OST-
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